Release September 15, 2023
EAN/UPC: 705304471524
Traumton CD: 4715
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Lineup:
Erkin Cavus: acoustic double neck guitar Reentko Dirks: bariton guitar, octave guitar
Clemens Christian Poetzsch: piano on #1 and #6 Bjarke Falgren: strings and string arrangements on #2 and #10
Deminan Kappenstein: sounds
All titles published by Traumton Musikverlag
Recorded, mixed and mastered by Mohi Buschendorf
Produced Mohi Buschendorf
Co-produced by Reentko Dirks, Erkin Cavus and Demian Kappenstein
Supported by
Info / Info english
Erkin Cavus & Reentko Dirks – Ütopya
Nach ihrem subtilen musikalischen Blick in die Vergangenheit auf ihrem erfolgreichen Album Istanbul 1900 kreieren Erkin Cavus und Reentko Dirks mit Ütopya klangvolle Zukunftsvisionen für die Metropole am Bosporus. Es geht um die Umgestaltung urbaner Verkehrsströme, großzügige Renaturierungen, eine neue Definition öffentlicher Räume, etwa zugunsten von nicht- kommerziellen, nachbarschaftlichen Nutzungen. Auch musikalisch präsentiert Ütopya Innovationen, besonders im charakteristischen Klang des Duos und durch einige überraschende Begegnungen. Andere Facetten knüpfen an den 2021 erschienenen Vorgänger an. Seinerzeit begeisterte die feingliedrige und atmosphärisch dichte Musik der beiden Gitarristen Publikum und Presse, in einigen Ländern konnten sie sogar die Charts erobern. Deutschlandfunk Kultur nannte Istanbul 1900 ein „fantastisches Album“, das Magazin Jazz Thing verortete es „in einem ganz eigenen Kosmos“ und die Dresdner Neuesten Nachrichten bescheinigten eine „überwältigende Wucht“.
„Vor rund vier Jahren habe ich das Magazin Futurzwei entdeckt, das mir viele Denk- und Handlungsanstöße gegeben hat“, nennt Reentko Dirks eine wesentliche Inspirationsquelle für Ütopya. Es gebe ja viele Möglichkeiten, schon im eigenen Rahmen und Umfeld etwas zur positiven Entwicklung beizutragen, findet der Musiker. „Ich erlebe es als Gewinn, in einem Unverpackt-Laden einzukaufen, dem Trend zu ständig neuen Elektrogeräten zu widerstehen, die richtige Bank zu wählen. Und in Nachbarschafts-Projekten urbanes Pflanzen zu betreiben oder müllfreie Stadtteilfeste zu organisieren.“ Vielerorts sei Gestaltungsspielraum vorhanden, so Dirks, „und wenn wir keine eigene Vorstellung entwickeln, wird uns die Zukunft von anderen vorgesetzt.“
Das Konzept zu Ütopya hat Reentko Dirks zunächst in groben Zügen alleine erdacht, dann gemeinsam mit seinem künstlerischen Partner Erkin Cavus ausgearbeitet. „Natürlich fühlt Erkin einen noch größeren Schmerz über all das, was in Istanbul während der letzten 20 Jahre kaputt gegangen ist. Der Eindruck, es werde immer schlimmer und andererseits das Gefühl, dass es auch anders gehen könnte, ist für die Menschen dort noch intensiver und dringlicher.“ Bereits vor einigen Jahren zog Cavus von Istanbul nach Dresden, unter anderem weil er möchte, dass sich seine Kinder frei bewegen und äußern können.
Die auffälligste Neuerung in der Musik auf Ütopya sind die eingeladenen Gäste, die das detaillierte Klangpanorama pointiert bereichern. „Erkin und ich hatten überlegt, was wir diesmal anders machen können, ohne die Ästhetik des Gitarren-Duos zu unterwandern.“ Nun ist der Schlagzeuger Demian Kappenstein, mit dem Dirks auch im Quartett Masaa spielt, auf Ütopya als Sounddesigner statt an den Drums zu hören. Mit absichtsvoll minimalen elektronischen Sounds verziert er einige Arrangements und bereichert die Ästhetik des Gitarrenduos. „Unser Gedanke war, dass solche zarten elektronischen Vignetten zu einem Zukunftsthema passen und gleichzeitig den ruhigen, manchmal fast meditativen Charakter der Musik unterstreichen können“, erklärt Dirks und beschreibt Kappensteins Sounds als „etwas Audiophiles, das man nicht unbedingt sofort entdeckt.“
Zu zwei Kompositionen hat Reentko Dirks den Pianisten Clemens Christian Pötzsch eingeladen. „Um improvisatorisch miteinander spielen zu können, habe ich diese Stücke von Beginn an auf die Kooperation ausgerichtet, Galeri Avrasya sogar auf dem Klavier geschrieben.“ Für das Titelstück des Albums entwarf Dirks eine dialogische Form, in der Gitarren und Flügel eine Art Gespräch führen.
Ein weiterer Kontakt aus dem Umfeld von Masaa ist Bjarke Falgren, der die Streicher bei Taksim Ormanları und Yeni Galata Liman arrangiert und eingespielt hat. „Wir wünschten uns einen impressionistischen Cluster-Klang,“ erzählt Dirks, „und haben ihm dabei die Wahl für die Ausführung überlassen. „Er fühlt sich mit feinem Gespür in die Stücke ein und kreiert intuitiv jede Stimme der Streicher.“
Weitere Änderungen zum Vorgängeralbum sind vermutlich weniger auffällig. „Bei Çamlica Şelalesi kombinieren wir bewegte Arpeggien mit einem ruhigen Thema,“ erklärt Dirks, „so etwas haben wir bislang nicht gemacht. Gleiches gilt für den E-Bow-‘Chor’ in Beşiktaş Bahçesi, die Präparierungen meiner Gitarre bei Dolmabahçe.“ Zuweilen weicht Dirks die klaren Konturen seines Partners ein wenig auf und nutzt dafür offene Tunings. In Taksim Ormanları bilden impressionistische, fast schon leicht dissonante Akkorde den Rahmen für einen imaginären Waldspaziergang. „Unser bislang am meisten entfesseltes Stück ist Boğaziçi Köprüsü. Den B-Teil haben wir im Studio frei improvisiert und dabei einen sehr besonderen Moment erwischt.“
Auch rhythmisch gibt es einige Finessen auf dem Album zu entdecken. Häufig werden Strukturen im Lauf eines Stücks gebrochen, die Metren variieren von 5/4 über 5/8 und 9/8 bis 10/8. Çamlica Şelalesi folgt einem inselartig verteilten Puls, Boğaziçi Köprüsü lehnt sich mit seiner wechselnden Rhythmik an Traditionen der Sinti und Roma an, die sich auch in der Türkei finden lassen. „Es geht uns nicht um Komplexität an sich“, betont Reentko Dirks, am Anfang stehen immer klare Melodien. Den ganzen Rest erarbeiten wir im Zusammenspiel, von den Harmonien und Modulationen in den Tonarten bis hin zu den Takten, die sich spontan ergeben.“
Der Gestaltungswillen des Duos reflektiert die unterschiedlichen persönlichen Hintergründe der beiden Musiker. Erkin Cavus (*1977) verbrachte viele Jahre seines Lebens in Istanbul. Hier wurde er zum gefeierten Gitarristen, unter anderem an der Seite populärer (Pop-)Künstler wie dem legendären Erkan Ogur und Ferhat Göcer. Nach einer Ausbildung mit Fokus auf westliche Klassik begann Cavus 1996, seine unkonventionelle Spielweise auf dem bundlosen Gitarrenhals zu entwickeln und ließ sich die erste Spezialgitarre bauen. Sie erlaubt ihm das Spiel mit Vierteltönen, ähnlich wie auf der Laute Oud. In den frühen Zweitausendern absolvierte er ein Meisterklassenstudium in Dresden, an der dortigen Hochschule lernte er Reentko Dirks kennen. Als Duo Kalkan gewannen sie den Sonderpreis beim internationalen Gitarrenwettbewerb in Osnabrück, veröffentlichten das Album Planet Kalkan, schrieben einen Spielfilm-Score. Eine unfreiwillige Rückkehr von Cavus nach Istanbul versetzte das Duo in eine Zwangspause (seit 2017 wohnt Cavus wieder in Deutschland), unterdessen machte Reentko Dirks (*1979) hierzulande Karriere. Er entwickelte individuelle, u.a. rhythmisch-perkussive Spieltechniken auf der Gitarre, setzte sich intensiv mit Flamenco und arabischer Musik auseinander. Für sein Album Sounds For The Silver Screen arbeitete er mit dem Komponisten Richard Horowitz, das folgende Le Cirque wurde 2013 für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert. Zwischenzeitlich spielte Dirks mit Yo-Yo Ma und Giora Feidman, Ben Becker und Max Mutzke. Die von Dirks co-arrangierte und eingespielte CD Carmen mit Ksenija Sidorova erhielt 2017 den Klassik-Echo. Seit 2019 ist er festes Mitglied des Quartetts Masaa, dessen poetische Songs zwischen arabischer Melodik und Jazz changieren und weithin hoch gelobt werden. 2021 wurde die Band mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet.
Für die Aufnahmen von Ütopya ging das Duo im Januar 2023 erneut ins Waldhausstudio nach Birkholz. „Abseits von Autoverkehr und Internet haben wir hier die richtige Umgebung, die Musik lebendiger werden zu lassen. Und wir sind sehr nahe an der Natur, die teilweise sogar im Hintergrund zu hören ist. Zudem vertrauen wir Mohi Buschendorf als Ingenieur und Impulsgeber, der an den richtigen Stellen lässt oder bremst“, sagt Dirks. So habe er selbst sich vom Konzept einer „perfekt sauberen“ Aufnahme endgültig verabschieden können. „Das ‚tuning‘ von Aufnahmen wird ja in allen Bereichen oft vorgenommen, aber eben auf Kosten der Atmosphäre, die verloren geht.“ Diese Haltung geht einher mit bewussten Unschärfen statt einer möglichen Hyperpräzision im Spiel des Duos.
Das Video zur ersten Single Ütopya, die am 23.6. erscheint, schlägt einen Bogen zu den gesellschaftlichen Hintergründen des Albums. Es verlinkt zu konkreten Projekten wie Urbanfarming, Tomorrow.city und Futurzwei. Damit die Musik nicht für sich alleine stehen bleibt, sondern zu Ideen und Initiativen weiterführt, in die man sich einklinken und in Kontakt mit Menschen kommen kann, die eine ähnliche Vorstellung von ihrer Zukunft haben.
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Erkin Cavus & Reentko Dirks – Ütopya (english)
„Erkin Cavus and Reentko Dirks bring together the worlds of East and West in their music.“ (Milliyet, Turkey)
After their subtle musical reflection on the past with their successful album Istanbul 1900, Erkin Cavus and Reentko Dirks now create sonic visions of the future for the metropolis by the Bosporus with Ütopya. It is about the transformation of urban traffic flow, extensive renaturation, a new definition of public spaces, for example in favor of non-commercial, community-oriented uses. Ütopya also presents musical innovations, especially in the duo’s characterizing sound and with some surprising collaborations. Other facets tie in with the previous album released in 2021. At the time, the delicate and atmospherically dense music of the two guitarists delighted audiences and the press, and in some countries they even managed to conquer the charts. The radio station Deutschlandfunk Kultur called Istanbul 1900 a “fantastic album,” the magazine Jazz Thing considered it to be “in its very own cosmos,” and the newspaper Dresdner Neueste Nachrichten attested an “overwhelming force.”
The most noticeable innovation in the music on Ütopya are the featured guests who are purposefully enhancing the detailed sonic panorama. “Erkin and I had been thinking about what we could do differently this time without compromising the aesthetic of the guitar duo.” So now drummer Demian Kappenstein, with whom Dirks also plays in the quartet Masaa, is featured on Ütopya as a sound designer instead of on the drums. He decorates some arrangements with intentionally minimalistic electronic sounds, enriching the guitar duo’s aesthetic. “Our thought was that such delicate electronic vignettes are fitting for the future theme, and at the same time emphasize the quiet, sometimes almost meditative character of the music,” Dirks explains, describing Kappenstein’s sounds as “something audiophile that you don’t necessarily discover right away.”
For two compositions Reentko Dirks invited the pianist Clemens Christian Pötzsch. “In order to be able to play and improvise together well, I designed the pieces for this cooperation from the start; I even wrote ‘Galeri Avrasya’ on the piano.” For the album’s title piece, Dirks devised a dialogic form in which guitars and grand piano engage in a kind of conversation. Another contact from Masaa’s circle is Bjarke Falgren, who arranged and recorded the strings on “Taksim Ormanları” and “Yeni Galata Liman”. “We requested an impressionistic cluster sound,” Dirks recounts, while leaving the process of execution up to him. With his refined sense he feels his way into the pieces and intuitively creates each part of the strings.”
The creative will of the duo reflects the different personal backgrounds of the two musicians. Erkin Cavus (*1977) spent many years of his life in Istanbul. Here he became a celebrated guitarist, also playing alongside popular (pop) artists such as the legendary Erkan Ogur and Ferhat Göcer. After an education with a focus on Western classical music, Cavus began to develop his unconventional playing technique on the fretless guitar neck in 1996 and had his first special guitar built. It allows him to play with quarter tones, like on the lute oud. In the early 2000s, he completed master class studies in Dresden, where he met Reentko Dirks. As Duo Kalkan they won the special prize at the international guitar competition in Osnabrück, released the album Planet Kalkan, and wrote a feature film score.
Reentko Dirks (*1979) became known especially for his individual, often rhythmic-percussive playing techniques. For this, he intensively studied flamenco and Arabic music. For his album Sounds For The Silver Screen he worked with the composer Richard Horowitz, the following Le Cirque was nominated for the German Record Critics’ Award in 2013. In the meantime, Dirks played with Yo-Yo Ma and Giora Feidman. The CD Carmen with Ksenija Sidorova, co-arranged and recorded by Dirks, received the Echo Classical Music Prize in 2017. Since 2019, he has been a steady member of the quartet Masaa, whose poetic songs alternate between Arabic melodies and jazz and are widely praised. In 2021, the band received the German Jazz Award.
The video for the first single “Ütopya”, which was released on June 23rd, makes a connection to the social background of the album. There are links to concrete projects such as Urbanfarming, Tomorrow.city and Futurzwei, so that the music doesn’t stand alone and directs you to ideas and initiatives that you can get involved in and get in touch with people who have a similar idea of their future.
„Their music is performed with such overwhelming power that the listener is carried away and moved to tears.“ (Dresdner Neueste Nachrichten)