Release January 31, 2014
EAN/UPC: 705304459928
Traumton CD: 4599
Lineup
David Helbock: piano, inside-piano, toy-piano, melodica, bassdrum, clave, percussion, toys, electronics Johannes Bär: trumpet, flugelhorn, piccolo-trumpet, bass-trumpet, baritonehorn, tuba, helicon, sousaphon, alphorn, didgeridoo, beatbox percussion, electronics Andreas Broger: tenor sax, soprano sax, clarinet, bassclarinet, flute, slide-trumpet, bassdrum, percussion, electronics
01, 03, 05, 07, 09, 11 composed by Hermeto Pascoal
02, 04, 06, 08, 12 composed by Thelonious Monk
10 composed by David Helbock
09 recorded by Hermeto Pascoal & Aline Morena
01, 03, 07, 11 published by Universal Edition AG
04, 06, 08, 12 published by Bocu Music LTD
02, 05 published by Warner Chappell / WA
10 published by Traumton Musikverlag
Recorded and mixed by Martin Offik in June 2013
at Traumton Studios, Berlin
except 09 recorded by Beto Japa at
Trilhas Urbanas Studio, Curitiba, Brazil.
Mastered by Wolfgang Loos in October 2013
at Traumton Studios, Berlin
Info / Info english
David Helbocks Random/Control – Think Of Two
Mit dem Wir auf Du und Du
Ist doch ganz einfach: Man nehme drei Musiker und drei Dutzend Instrumente, ein paar Lieblingsstücke, gehe ins Studio und spiele drauf los. Die Aufstellungsordnung des musikalischen Erlebnisparks von Random/ Control dürfte dabei das Komplizierteste der Zweitage-Session im Berliner Traumton-Studio gewesen sein. Beim „sportlichen Instrumentenwechseln“ sei es zu einigen „Unfällen“ gekommen, berichtet David Helbock. Davon ist auf seiner neuen CD allerdings nichts zu hören – ganz im Gegenteil! Erscheint Think of Two doch von einer spielerischen Leichtigkeit, die locker über alle Kulturen, Distanzen und Stile hinwegfegt.
Ich werfe den verdammten Rückspiegel aus dem verdammten Fenster, weil ich nicht wissen will, woher ich komme, sondern wohin ich fahre (F.L.Wright)
Ursprünglich sollte das neue Œuvre „Two Wise Men with a Long Beard“ heißen. Aber Helbocks Mudjaheddin-Bart ist inzwischen ab; aus Vorarlberg stammend, über Wien gekommen, ist der 30-jährige Pianist nun frischer Berliner, jung, vielfach Preis dekoriert und erfolgreich genug, um ein erstes, kleines Resümee zu ziehen. Und das hat er anhand zweier seiner wichtigsten Einflüsse, Thelonious Monk und Hermeto Pascoal, getan. Schon seit längerem versuchte Helbock mit letzterem in Kontakt zu kommen. Nachdem er den brasilianischen Multiinstrumentalisten bei einem Konzert in Wien schließlich kennengelernt und ihm eine seiner CDs nebst sein von Hermeto inspiriertes „Personal Realbook“ (2009 ein Jahr lang jeden Tag ein neues Stück geschrieben) geschenkt habe, sei aus Brasilien irgendwann Nachricht gekommen, dass Pascoal für ihn ein Stück aufnehmen wolle – „einfach so und umsonst“, wie der erstaunte Helbock berichtet. „Palhinha do Hermeto e da Aline“ ist der neunte Titel auf dem Album, vier Flöten-, zwei Klavier-, vier Gesangsspuren. Und die akustische Wirrniss passt prächtig in das Gesamtgeflecht.
Der exzentrische Hermeto Pascoal ist seinerseits ein erklärter Fan des exzentrischen Jazzpianisten Thelonious Monk, und so sitzen auf Think of Two nun also drei Brüder im Geiste einträchtig zusammen auf dem Klavierschemel. Das Resultat ist große Gaudi, ein Hoch- und Runtersausen durch die Klaviatur der Möglichkeiten, bei der man sich gut vorstellen kann, wie Komponistengeister und Realmusiker einander animierten und sich gegenseitig erstaunten.
Sieh es als Chance, die Geschichte ein bisschen anders zu erzählen (Fred Hersch)
Die drei haben dabei den Mut sich ins Klischee zu stürzen ohne im Seichten zu landen. Helbock wäre freilich nicht Helbock, wenn er seinen Lieblingstiteln nicht auch unter die Haut kröche, sie nicht wahrhaftig „interpretieren“ würde. So wird Monks „Pannonica“ über die Jazzmäzenin de Koenigswater so verrückt wie es die Jazzbaroness auch war, für das nach einem Kinderspiel benannte „Trinkle Tinkle“ nimmt Helbock konsequenterweise ein Spielzeugklavier her. Der Klassiker „’Round Midnight“ gerät zum melancholischen Spaziergang über’s regenschwere Pariser Pflaster. „Tupizando“, ein den brasilianischen Tupi-Ureinwohnern gewidmeter Hermeto-Titel, geht das Vorarlberg-Trio erst mal mit Bierflaschen an, und siehe da, der Urwald erwacht mit Vogelgezwitscher und Gekreisch zum Leben.
Dass Pascoals „Nas quebradas“ mit einem Alphornsolo unterlegt wird, fällt da schon gar nicht mehr auf, ebenso wenig, dass das Brasil-Stück eine erstaunliche Vorarlberger Verwandschaft aufweist; verwunderlich höchstens, wie Bär und Broger die abrupten Wechsel vom großen zum kleinen Mundstück hinbekommen und Helbock nicht danebenlangt bei der Vielzahl seiner Sounds und Instrumente. Verwirrt wird höchstens der Zuhörer, mit welchem Instrument welcher Musiker plötzlich und unvermutet einen neuen, überraschenden Akzent setzt. Think of Two ist großes Musikantentum, aber Virtuosität fliegt hier nicht auf Autopilot. Um Organik wird da nicht gerungen, sie kommt von innen heraus geklungen (vgl. die New-Orleans-Second-Line in „Raise Four“).
Ich bereite mich darauf vor, nicht vorbereitet zu sein (Lee Konitz)
Zufall und Kontrolle, das sind zwei Determinanten, die sich gegenseitig eigentlich ausschließen. „Das Ganze ist mit Random/Control aber auch eine kleine Herausforderung geworden – es kamen und kommen immer mehr Instrumente dazu“, sagt Helbock zum Entstehungsprozess. Hertz- und Herztöne eröffnen auf „Voa, Ilza“ mit einem Feuerwerk den regen Reigen. Jeder pfeffert irgendwo irgendwas rein – und alles passt! Ideen (und vermutlich auch Instrumente) hätten sie noch mehr gehabt, leider aber passten nicht mehr als 80 Minuten auf eine CD. Dass diese in nurmehr zwei Tagen randvoll gefüllt wurde, spricht für das blinde Verständnis des Trios – gespeist durch gemeinsame Herkunft (Vorarlberg), gemeinsame Schulzeit (Helbock/ Bär) und lange musikalische Zusammenarbeit (Helbock/ Bär/ Broger).
Seine meta-technische Transkulturation zelebriert „Helbocks B&B“ so locker, als ob Vorarlberg schon immer die Weltkultur beherbergt hätte. Es brauchte nur noch einen, der sie da herausführt. David Helbock, dessen Nachname sich zusammensetzt aus Hel, der Unterweltsherrscherin in der nordischen Mythologie, und Bock, althergebrachtes Synonym für Teufel und Potenz, ist in der Tat ein Verführer in die Schichten unter seine Musiktitel, ein Prellbock stilistischer Eindimensionalität und damit, ob Wohnsitz Wien oder Berlin, endgültig auf der Weltbühne angekommen.
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David Helbocks Random/Control – Think Of Two (english)
Becoming One as a Team
It’s that simple: you take three musicians and three dozens of instruments, a few favorite songs, you go to the studio and just start playing. The array of the set up of the musical adventure park of Random/Control was probably the most complicated part of the two-day session in the Traumton-Studio in Berlin. During the “sporty instrument changeovers” several “accidents” happened, David Helbock reports. However, nothing can be heard of these on his new CD – quite the contrary! Think of Two appears in playful airiness, which easily sweeps across all cultures, distances and styles.
I throw the damn rear view mirror out of the damn window, because I don’t want to know where I’m coming from, but where I’m going. (F.L. Wright)
Originally the new oeuvre was supposed to be named “Two Wise Men with a Long Beard”. But Helbock’s Mudjaheddin-beard is gone by now; originating from Vorarlberg, Austria, coming through Vienna, the 30-year-old pianist is now a Berliner, young, adorned with multiple prizes and successful enough to draw a first little résumé. And he has done that on the basis of two of his most important influences, Thelonious Monk and Hermeto Pascoal. With the latter, Helbock has been trying to get in touch with for quite some time now. After he finally met the Brazilian multi-instrumentalist at a concert in Vienna and gave him one of his CDs along with his Hermeto inspired “Personal Realbook” (2008 for a whole year he wrote a new piece every day), a message came from Brazil one day, that Pascoal wants to record a piece for him – “just like that and for free”, as the astonished Helbock reports. “Palhinha do Hermeto e da Aline” is the ninth title on the album, with four flute tracks, two piano tracks and four vocal tracks. And the acoustic confusion magnificently fits into the overall concept. The eccentric Hermeto Pascoal himself, is a declared fan of the eccentric jazz pianist Thelonious Monk, and so three brothers in spirit now sit harmoniously together on the piano stool on Think of Two. The result is a great jamboree, dashing up and down through the entire range of possibilities, at which you can easily envision how the composers’ spirits and the musicians animated and amazed one another.
See it as a chance, to tell story a little bit differently (Fred Hersh)
Thereby the three have the courage to hurl themselves into cliché without landing in the fordable. Helbock would certainly not be Helbock if he didn’t crawl under the skin of his favorite songs, if he didn’t truly “interpret” them. Like that, Monk’s “Pannonica”, about the jazz-patron de Koenigswater, becomes as crazy as the jazz-baroness herself. For ”Trinkle Tinkle”, named after a childrens game, Helbock uses a toy piano in the interest of consistency. The classic tune “’Round Midnight” becomes a melancholic walk over the rainy Parisian cobbles. The trio from Vorarlberg approaches “Tupizando”, a Hermeto piece dedicated to the Brazilian Tupi-natives, with beer bottles, and lo and behold, the jungle comes to life with birds’ twittering and shrieking. That “Nas quebradas” was underlayed with an alpine horn solo, doesn’t strike you at all anymore, just as little as the fact, that the Brazil-piece exhibits a surprising relationship to Vorarlberg; more astonishing is how Bär and Broger manage to switch so abruptly from large to small mouthpieces and that Helbock is never off the mark considering the multitude of sounds and instruments he uses. Only the listener might be confused, with which instrument which musician suddenly and unexpectedly creates a new, surprising focus. Think of Two is great musicianship, but virtuosity does not fly on autopilot here. They don’t struggle for the organic, but it sounds out from inside.
I prepare myself for not being prepared (Lee Konitz)
Chance and control are two determinants, which are actually mutually exclusive. “The whole thing with Random/Control has become a little challenge – more and more instruments were added and keep being added”, Helbock says about the process of development. On “Voa, Ilza” oscillation sounds and heartbeats explosively open the lively dance. Everyone chucks in anything anywhere – and everything fits well! They would have had even more ideas (and probably also instruments), but unfortunately no more than 80 minutes fit on the CD. That these were filled to the brim in only two days, speaks for the blind mutual understanding of the trio – energized by the common origin (Vorarlberg), the shared schooldays (Helbock / Bär) and a long musical collaboration (Helbock/ Bär/ Boger).
“Helbock’s B&B” celebrates his meta-technical transculturation so casually, as if Vorarlberg has always housed world culture. It only needed somebody who guides it out from there. David Helbock, whose last name includes “Hel”, the ruler of the underworld in Nordic mythology, and “Bock” [German for “buck”], a traditional synonym for the devil and for virility, is indeed a seducer into the layers under his musical pieces, a buffer against stylistic one-dimensionality and thereby, whether living in Vienna or Berlin, definitely has arrived on the world stage.