Release March 30, 2011
EAN/UPC: 705304456729
Traumton CD: 4567
Lineup
Tobias Preisig: violin Stefan Aeby: piano, rhodes André Pousaz: bass Michi Stulz: drums
Music composed by Tobias Preisig and published by Traumton Musikverlag , except Hallelujah by Leonard Cohen, published by Bad Monk Publishing / Sony ATV. Transforming is based on and inspired by the theme of Gabriel Fauré’s «après un rêve»
Produced by Christian Zehnder
Recorded by Andreas Neresheimer at Hardstudios Winterthur
27-29th June 2011 | mixed by Andreas Neresheimer | mastered by Wolfgang loos at Traumton Studios, Berlin
Executive producer: Peter Bürli at Schweizer Radio DRS 2
Co-produced by Schweizer Radio und Fernsehen
Cover photos by Jitka Hanzlova | artwork by Dana Badulescu | inside photo by Bernhard Ley | inside text by Lukas Wigger
| Thanks to Präsidialdepartement Stadt Zürich, Kultur, Popkredit | Thanks to Florian Pittet at la Fonderie Studio Fribourg for the Summit Compressor
Info / Info english
Tobias Preisig – In Transit
Dies ist ein Transit im Innern;
durch ein Drittland,
das jedem Reisenden
anders erscheinen muss.
Viel ist schon geschrieben worden über die besonderen Qualitäten improvisierter Musik. Über jenes „Mehr“ an Intensität, das sich dort ergeben kann, wo nicht nur vorgegebene Kompositionen möglichst „werkgetreu“ interpretiert werden müssen. „Es geht darum, dass man richtig loslassen kann“ erläutert Tobias Preisig. „Um auf eine andere Ebene zu kommen, wo die Musik von alleine passiert. Das ist unser Ziel in der Band – in einem gewissen Sinne ist das spirituell, aber mit Religion hat es nichts zu tun.“
Wer Preisigs neues Album „In Transit“ hört, benötigt keine Erklärungen mehr: schon die Einstiegs-Titel „Infinite Inhale“ bzw. „Infinite Exhale“ sind pure Intensität, greifbare Energie. Diese Musik philosophiert nicht bloß über existenzielle Grundlagen – sie handelt buchstäblich davon. Vom Atem zum Beispiel. „ Wie bringen wir die Musik zum singen, wie zum atmen, wie bringe wir sie dazu, dass sie sich verselbständigt?
Das klassische, virtuose Repertoire hat Tobias Preisig zur Genüge kennen gelernt. Schon als Siebenjähriger wusste er, dass er Geige spielen wollte. Umgehend meldeten ihn seine Eltern zum Unterricht an, der schließlich zum Studium an der Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt Zürich führte. Doch schon früh ging er auch eigene Wege: Beim Workshop im Jugend-Orchester wurde Preisig zur Bigband eingeladen. „Da ist der Funke übergesprungen.“ Er bekam Kontakt zur Schweizer Jazzszene und studierte an der Swiss Jazz School sowie an der New School in Manhattan. 2003 ging er auf Tour mit dem European Youth Jazz Orchestra und nach einem halbjähriger Aufenthalt in Paris folgten Zusammenarbeiten mit Luciano Biondini, Daniel Schnyder, Thomas Demenga, dem Kaleidoscope String Quartet und Duos mit George Gruntz (2010 erschien ihr aktuelles gemeinsames Album »Little Horse – Ho!« mit Gast-Saxofonist Dave Liebman) und dem Stimmkünstler Christian Zehnder. Im Frühjahr 2010 erschien das Debüt-Album »Flowing Mood« mit dem eigenen Quartett beim New Yorker Label ObliqSound. „Ich habe lange gewartet, bis meine Musik reif war und ich genau die richtigen Musiker gefunden habe, die dieselbe Sprache sprechen und denselben eigenen und neuen Weg beschreiten wollen.“
Seitdem ist das Quartett (mit Stefan Aeby, Piano, André Pousaz und Michi Sulz) in regelmäßiger Arbeit zusammen gewachsen; auf Tournee in der Schweiz, Frankreich und Deutschland, bei Festivals wie dem Cully Jazzfestival, beim Hamburger Überjazz, dem Basler OffBeat und zur Eröffnung des Jazzfestival Schaffhausen 2011. „Den Titel unserer zweiten CD kann man so verstehen, dass wir zurzeit in einer Transitzone sind und wohl auch nie ankommen werden, weil wir ständig auf der Suche sind“ erklärt Tobias Preisig.
Auf welcher Ebene die vier Musiker inzwischen interagieren, zeigen Stücke wie »Charming Sophistication«, das seinen Titel nicht zufällig trägt. Da greifen zarte Akzente von Schlagzeug, Bass und präpariertem Klavier zu einem gleichermaßen zurückhaltenden und präsent spannungsreichen Groove ineinander, organisch öffnet sich die Intensität zur gemeinsamen Improvisation. Oder die ostinate Ruhe des Trance-artigen »Intoxicated Wheel«, das sich kreisend immer tiefer in offene Ohren und Herzen eingräbt. Diese Musik lässt ihre Zuhörer nicht unberührt.
Konsequent hat Tobias Preisig seinen eigenen Klang entwickelt: warm und dunkel, fast meint man, eine Bratsche zu hören unter seinem feinnervigen Bogen. Und auch der Bandsound arbeitet sich nicht an Vorbildern und Kategorien ab, sondern auf den Mut zum Sanften, zum Poetischen, bisweilen Melancholischen setzt. Und dabei auch einen »Totenmarsch« möglich macht, der weder ins unverbindlich-metaphysische, noch in empfindsamen Betroffenheits-Kitsch abrutscht. In Mexiko fand der gerade dreißigjährige Preisig ein Geige spielendes Skelett – kein mahnendes „Memento Mori“, vielmehr zum dortigen „Día de los Muertos“ ein Symbol für das pralle Leben. »In Transit« – das ist auch eine Metapher für die gesamte Bandbreite unserer Existenz vom Ein-und Aus-Atmen durch vielfältiges »Transforming« bis hin zur heiligen Gewalt der Liebe, die bis in den Tod reicht:
Im Zentrum des Albums entfaltet sich Leonard Cohens »Hallelujah« als wunderbar doppelbödige Coverversion. Wer darin etwa eine christliche Anrufung vermutet, kennt den Text des Klassikers nicht. Ganz anders Preisig: „Ich war gefangen von Jeff Buckleys Version. Sie hatte mich befallen wie ein Parasit, ließ mich nicht mehr los. Also fing ich an, mich mit dem Stück zu beschäftigen. Es ist ein Versuch, in einer fruchtbaren Symbiose mit diesem Parasiten leben zu lernen.“
Doch das Album »In Transit« umfasst auch die leichteren Aspekte des Lebens. „Wir empfinden »What an Appearance« mit seinem 7/4-Takt als Aufhellschein, die Welt geht wieder auf mit dieser fast kitschig-schönen Melodie“. Dabei mag Tobias Preisig niemandem vorschreiben, wie seine Musik zu verstehen sei: ob melancholisch-bluesig oder einfach rockig-intensiv. Am liebsten würde er im Konzert die Titel nicht ansagen: „Es gibt zwei Arten von Leuten: die Einen holen sich im Museum als erstes den Audio-Guide und lassen sich jedes Bild erklären, die anderen lassen die Eindrücke erst auf sich einwirken und wollen eigene Gedanken formieren. Ich gehöre definitiv zu denen die den Audio-Guide links liegen lassen“.
Wie immer bei guter Kunst benötigt „In Transit“ auch keine Erklärung. Diese Musik packt Ihre Zuhörer und beschäftigt Ohren, Hirn und Herz. Das ist eine Warnung an alle, die gern auf Nummer Sicher gehen. Und eine Einladung, sich mit „In Transit“ zu begeben.
„Ist das Jazz? Nun, wenn Jazz Musik ist, die Grenzen überschreitet, dann ist das, was Tobias Preisig … zu bieten hat, jazziger als vieles, was jazziger klingt.“
Schaffhauser Nachrichten 19.05.11
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Tobias Preisig – In Transit (english)
It’s a transit on the inside;
a journey through a third country
seamlessly changing its appearance
and showing a different face to each traveler.
A lot has already been written about the special qualities of improvised music and about how it allows for “more” intensity as compared to fixed compositions that have to be interpreted as faithfully to the original as possible. “It’s about being able to let loose”, Tobias Preisig explains. “To reach a different level, where music happens all by itself. That’s the goal of our band – in a way it’s spiritual, but it has nothing to do with religion.”
Whoever listens to Preisig’s new album “In Transit” doesn’t need any other explanation: The introductory titles “Infinite Inhale” and “Infinite Exhale” are pure intensity, tangible energy. This music isn’t just philosophising about existential basics, it’s literally about them. Breath, for example. “How do we get the music to sing, as in breathing, how do we get it to have of life of its own?”
Tobias Preisig is more than familiar with a classical, virtuoso repertoire: As a seven year-old, he already knew that he wanted to play the violin. His parents promptly signed him up for lessons that ultimately led to his studies at the University of Music and Theatre in his hometown Zurich. But early on he went his own way: At a workshop of the youth orchestra, Preisig was invited to join the big band. “I was hooked”. He came in contact with the Swiss jazz scene and studied at the Swiss Jazz School as well as the New School in Manhattan. In 2003, he went on tour with the European Youth Jazz Orchestra and after a half year’s residency in Paris, collaborations followed with Luciano Biondini, Daniel Schnyder, Thomas Demenga, the Kaleidoscope String Quartet and duos with George Gruntz (their current album “Little Horse – Ho!” was released in 2010 with the guest saxophone player Dave Liebman) and the vocal artist Christian Zehnder. In the spring of 2010, “Flowing Mood”, the debut album of his own quartet, was released on the New York label ObliqSound. “I waited a long time until my music had matured and I had found the right musicians who spoke the same language and who wanted to move in the same individual and new direction.”
The quartet (Stefan Aeby, Piano, André Pousaz and Michi Sulz) has since grown together, working on a regular basis; touring Switzerland, France and Germany, playing at festivals such as the Cully Jazz Festival, Hamburg’s Überjazz, Basel’s Offbeat and opening the Jazz Festival Schaffhausen in 2011. “The title of our second CD can be interpreted as: We are currently in a transit zone where we will likely never arrive anywhere because we are constantly searching.”
Pieces like “Charming Sophistication”- the title is no coincidence – demonstrate at what level the four musicians are now interacting. Delicate accents from the drums, bass and prepared piano intertwine to form a restrained and yet dramatic groove, organically the intensity opens up to joint improvisation. Or the ostinato calm of the trancelike “Intoxicated Wheel”, circles around and entrenches itself ever deeper into open ears and hearts. This music will not leave its listeners untouched.
Tobias Preisig has consistently developed his own sound: warm and dark, one can almost hear a viola under his sensitive bow. The band’s sound, as well, doesn’t slave away at standards and categories but courageously aspires to gentleness, to the poetic, sometimes even melancholy, thereby allowing for a “death march” that neither slips into tentative metaphysical nor touchingly sentimental kitsch. In Mexico, as a thirty year-old, Preisig found a skeleton playing a violin – not the admonishing “Memento Mori”, but rather the local “Day of the Dead” symbol for teeming life. “In Transit” is also a metaphor for the entire bandwidth of our existence, from breathing in and out, to manifold “transforming”, reaching to the sacred violence of love that lasts until death.
At the centre of the album, an ambiguous cover version of Leonard Cohen’s “Hallelujah” unfurls. Whoever suspects that this is an appeal for Christianity is unfamiliar with the classic’s lyrics. Quite the contrary according to Preisig: “I was a captive of Jeff Buckley’s version. It had infested me like a parasite, it wouldn’t let go of me. So I started to engage myself with song. It is an attempt to learn to live with this parasite in a fruitful symbiosis.”
Yet the album “In Transit” also embraces the lighter aspects of life. “We see ‘What an Appearance’ with its 7/4 measure as a brightener, the almost beautifully kitsch melody opens the world up again.” Tobias Preisig doesn’t dictate to anyone how they should understand his music: whether melancholically bluesy or simply rockily intense. He’d prefer not to announce the titles during a concert: “There are two types of people: The kind that get an audio guide first off at a museum and let each painting be explained to them, or the others who first let their impressions sink in and form their own thoughts. I definitely belong to the kind that ignore the audio guides.”
As always with good art, “In Transit” doesn’t require an explanation. This music enthrals its listeners and keeps one’s ears, brain and heart busy. This is a warning to everyone who wants to play it safe. And it’s an invitation to get going “In Transit”.
“Is that jazz? Well, if jazz is music that transcends borders, then what Tobias Preisig… is doing, is jazzier than a lot of jazzier sounding music.”
Schaffhauser Nachrichten May, 19, 2011