Release March 2022
EAN/UPC: 705304470121
Traumton CD: 4701
Lineup
Fabian Dudek: reeds Felix Hauptmann: piano, synthesizer David Helm: doublebass Fabian Arends: drums
Supported by
All compositions by Fabian Dudek
All compositions published by Traumton Musikverlag
Info / Info english
Fabian Dudek – Isolated Flowers
2019 veröffentlichte Fabian Dudek Creating Meaning, das Debütalbum seines damals ganz neu formierten Quartetts. Die anschließende Tournee wurde vom Musikfonds gefördert, CD und Konzerte stießen auf begeisterte Resonanz. Auch in den Medien. Der Kölner Stadtanzeiger nannte die Platte schlicht „Meisterwerk“, die FAZ beschrieb Dudek als „echten Überflieger des zeitgenössischen Jazz“ und führte aus: „Unvorhersehbare Wendungen, Kontraste und Verdichtungen tragen durchaus herausfordernde Züge, andererseits bietet die Musik immer wieder Anknüpfungspunkte, auch auf emotionaler Ebene.“ Das Journal Frankfurt notierte: „Die virtuosen Eskapaden des jungen Alt- und Sopran-Saxophonisten faszinieren mit spielerischer Komplexität, darüber hinaus kann Dudek auch als phantasievoller Komponist überzeugen und zuweilen fast lyrisch klingen.“
Das neue Album des Quartetts um Fabian Dudek dokumentiert die kompositorische Entwicklung des Bandleaders und das Zusammenwachsen des herausragendenKleeblatts. „Wir haben unser Spektrum wesentlich erweitert“, konstatiert Dudek, „im Hinblick auf die gemeinsame Erarbeitung meiner Stücke ebenso wie in der spontanen Interaktion in Improvisationen.“
Beide Aspekte sind aus Dudeks Sicht essentiell für die Musik. „Durch die Corona-Einschränkungen konnten wir 2020/21 weniger Konzerte spielen als geplant. Umso mehr haben wir geprobt und uns konsequent mit Details beschäftigt. Das ist extrem wichtig, denn selbst wenn meine Stücke relativ umfangreich notiert sind, betreten wir im Zusammenspiel jedes Mal unbekannte Territorien. Je nach dem, wie die anderen wahrnehmen, was ich mir ausgedacht habe, wie sie meine Ideen mit eigenen Einfällen und Gefühlen bereichern, entsteht eine neue Art von Sprache.“ Sämtliche Stücke würden von allen ausformuliert, fasst Dudek die Kommunikation auf Augenhöhe zusammen. Der gleichberechtigte Charakter der Band kann dazu führen, dass seine Kompositionsvorschläge umfassend umgestaltet oder sogar gänzlich verworfen werden. Als Beispiel nennt Dudek I Can’t, den vergleichsweise konventionellsten Titel des Albums, von dem fast die Hälfte der ursprünglichen Notation in die Tonne wanderte. Mit überraschendem Ergebnis: „während ich das Stück schrieb hätte ich nicht gedacht, dass es mal zu einer Ballade werden würde.“
Als ein prägendes Element von Isolated Flowersnennt Dudek Dualität. Dabei denkt er an die Spannung zwischen Intellekt und Emotionalität, Komplexität und tiefen Empfindungen, die das gemeinsame Spiel ausmacht. Und an die Einflüsse, die ihn beim Schreiben inspirierten und Stimmungen zwischen Melancholie und Aufbegehren auslösten. „Ich höre viel Neue Musik und freue mich über ihre ‚ausgecheckten‘ Details, mir gefällt aber auch eingängiger Pop. Gradlinige Rhythmen, etwa im Soul, sprechen mich genauso an wie ein komplexer Puls, den man zwar fühlt, bei dem man aber nicht komplett versteht, was passiert.“
Das Titelstück, Isolated Flowers, hat eine Geschichte, die exemplarisch für Dudeks Herangehensweise steht. „Ich hatte mir während des Lockdowns eine Kamera gekauft, eine Serie mit Naturaufnahmen geschossen und dazu Texte auf Deutsch geschrieben. Dann verwandelte die Übersetzungsmaschine meine Formulierung ‚alleinstehende Blumen‘ in ‚isolated flowers‘. Einerseits ist das noch romantischer, andererseits hat die Maschine das deprimierte Gefühl verschärft und meine Stimmung im damaligen Eingeschlossensein noch gnadenloser zugespitzt.“ Die Platte sei aber keinesfalls ein Pandemie-Album, betont Dudek: „andere Zeitfragen beschäftigen mich genauso, etwa Klimapolitik, Waffenexporte und Migration.“ Die Konfrontation von Natur und Industrie reflektiert Pretty Ugly, dessen Titel sich absichtsvoll in mehrere Richtungen lesen lässt. „Der Gedanke zu diesem Stück kam mir beim Besuch einer Roger Melis-Ausstellung. Eins seiner Fotos zeigt eine schöne Landschaft, in deren Mitte eine Zementfabrik steht.“ Reality, The Hypocritetransferiert Dudeks Ärger über Heuchler in der Politik in expressive Töne, Sick Daysist ebenfalls künstlerischer Kommentar zur Zeit. „Hier symbolisiert der Synthesizer, der wabert und im Lauf der Zeit aus der Stimmung driftet, ein diffuses Gefühl der Unsicherheit und Machtlosigkeit.“
Leidenschaft, Entschlossenheit, Dringlichkeit: Fabian Dudeks explosive Saxophon-Modulationen vermitteln immer wieder den Eindruck, als blase er sich die Seele aus dem Leib. Und das ist auch so. „Ich habe mich jahrelang mit dem Saxophon beschäftigt und kann mit dieser Band endlich so spielen, wie ich es mir vorstelle“, sagt Dudek. Als Impulsgeber nennt er Frank Gratkowski, bei dem er dieser Tage seinen Master-Abschluss absolviert, den amerikanischen Saxophon-Vordenker Henry Threadgill, Soul-Irrwisch James Brown und Funkjazz-Legende Maceo Parker, Trompeten-Virtuose Ambrose Akinmusire und Charles Ives. „Es macht mir Spaß, beim Komponieren Puzzleteile neu zusammen zu legen. Aber was letztlich zählt ist, im Moment zu sein, statt brav Regeln zu folgen oder stur an Konzepten festzuhalten. Der kompositorische Rahmen wird nur gebaut, um ihn als Startrampe zu benutzen, hin zur völligen Ekstase.“
Es ist offenkundig, dass das Quartett während der zweitägigen Aufnahmen im Kölner Loft immer wieder entfesselte Zustände erreicht hat. Entsprechend versteht Fabian Dudek Isolated Flowers vor allem als Reflexion über eben jene Zeit, in der das Album entstanden ist. Gut möglich, dass die Stücke bei kommenden Konzerten zumindest in Teilen schon wieder anders klingen. Die grundsätzliche Haltung der versierten Individualisten wird sich indes nicht ändern. Mit juvenilem Verve und entschlossenem Gestaltungswillen lebt die Band um Fabian Dudek die Freiheiten des zeitgenössischen Jazz aus. Sie kreiert weite Spannungsbögen und eine packende Intensität, die niemanden unberührt lässt.
***
Fabian Dudek – Isolated Flowers (english)
In 2019 Fabian Dudek released Creating Meaning, the debut album of his then newly formed quartet. The following tour was sponsored by the Musikfonds and the CD and concerts were met with enthusiastic reactions – also in the media. The newspaper Kölner Stadtanzeiger simply called the record a „masterpiece“, the FAZ described Dudek as a „real high fligher of contemporary jazz“ and stated: „Unpredictable twists and turns, contrasts and sonic densifications certainly have demanding character, but on the other hand the music consistently offers points of access on the emotional level.“ The Journal Frankfurt noted: „The virtuoso escapades of the young alto and soprano saxophonist fascinate with their playful complexity; furthermore, Dudek impresses as an imaginative composer and can sound almost lyrical at times.“
The new album of the quartet around Fabian Dudek documents the compositional development of the bandleader and the confluence of this extraordinary constellation. „We have significantly expanded our spectrum,“ Dudek states, „with regard to the collaborative development of my pieces as well as in the spontaneous interaction in improvisations.“
For Dudek, both aspects are essential for the music. „Due to the Corona restrictions, we played fewer concerts than planned in 2020/21. Therefore, we rehearsed all the more and consistently worked on details. This is extremely important, because even though my pieces are notated quite elaborately, every time we play together we enter unknown territories. Depending on how the others perceive what I’ve come up with and how they enrich my ideas with their own thoughts and feelings, a new kind of language emerges.“ The pieces are formulated by everyone together, Dudek says about their nonhierarchical communication. This equal footing among the band members can lead to Dudek’s compositional suggestions being extensively rearranged or even discarded altogether. As an example he cites “I Can’t”, the album’s in comparison most conventional track, of which almost half of the original notation went to the trash can. With a surprising result: „While I was writing the piece, I never would have thought that it would become a ballad.“
Dudek cites duality as a characterizing element of Isolated Flowers. He’s referring to the tension between intellect and emotionality, complexity and deep feelings, the tension that defines collective playing. And to the influences that inspired his writing and evoked moods between melancholy and revolt. „I listen to a lot of New Music and enjoy its ’sophisticated‘ details, but I also like catchy pop music. Straightforward rhythms, as in soul music, appeal to me just as much as a complex pulse that you can feel, but where you don’t completely understand what’s going on.“
The title track, “Isolated Flowers”, has a story that exemplifies Dudek’s overall approach. „I had bought a camera during the lockdown, shot a series of nature photographs, and wrote German texts to go with them. Then the translation machine turned my wording ‘alleinstehende Blumen’ into ‚isolated flowers‘. On one hand, that’s even more romantic; on the other hand, the machine exacerbated the depressed feeling and mercilessly intensified my mood of being locked in at the time.“ But the record is by no means a pandemic album, Dudek emphasizes: „Other current issues concern me just as much, such as climate politics, weapon exports and migration.“ The confrontation between nature and industry is reflected in “Pretty Ugly”, whose title can intentionally be read in several ways. „The idea for this piece came to me while visiting a Roger Melis exhibition. One of his photographs shows a beautiful landscape with a cement factory right in the middle.“ “Reality, The Hypocrite” transfers Dudek’s anger at hypocrites in politics into expressive sounds, “Sick Days” is also an artistic commentary on present times. “Here the synthesizer, wafting and slowly drifting out of tune, symbolizes an indefinable sense of uncertainty and powerlessness.“
Passion, determination, urgency: Fabian Dudek’s explosive saxophone modulations always give the impression as if he is blowing his soul out. And that’s exactly the case. „I’ve been playing the saxophone for years, and with this band I can finally play the way I imagine,“ Dudek says. As sources of inspiration he cites Frank Gratkowski, with whom he is currently completing his master’s degree, American saxophone mastermind Henry Threadgill, soul wizard James Brown and funk jazz legend Maceo Parker, trumpet virtuoso Ambrose Akinmusire and Charles Ives. „I enjoy reassembling puzzle pieces differently when I compose. But what matters in the end is being in the moment, rather than obediently following rules or stubbornly sticking to concepts. The compositional framework is only built to be used as a launching ramp – toward complete ecstasy.“
It is evident that the quartet repeatedly reached unleashed states during the two recording at the Loft in Cologne. Accordingly, Fabian Dudek considers Isolated Flowers primarily to be a reflection on the time in which the album was created. It is quite possible that the pieces will, at least in parts, sound different already at upcoming concerts. However, the underlying attitude of the accomplished individualists will not change. With a juvenile verve and determined creative will, the band around Fabian Dudek is living out the freedoms of contemporary jazz. They create long arcs of tension and a captivating intensity that leaves no one untouched.