Release January 31, 2020
EAN/UPC: 705304468623
Traumton CD: 4686
Lineup
Frederik Köster: trumpet, electronics, vocals Sebastian Sternal: piano, fender rhodes Joscha Oetz: double bass Jonas Burgwinkel: drums
All Music composed by Frederik Köster Köster
”(To The) Evening Star“ Lyrics by William Blake, Music by Frederik Köster
All titles published by Traumton Musikverlag
Produced by Frederik Köster
Recorded May 3-6, 2019 at Kammermusiksaal des Deutschlandfunks, Cologne
Sound Engineer: Uwe Sabirowski, Sound Technician: Christoph Münch
Recording Producer: Christian Heck, Radio Producer: Harald Rehmann
Mixed May 23-24, 2019 by Christian Heck at Tonart Studio, Kerpen, Germany
Mastered by Reuben Cohen at Lurssen Mastering, Burbank / California, USA
Info / Info english
Frederik Köster / Die Verwandlung – Golden Age
Ein weiteres Mal macht Die Verwandlung ihrem Namen Ehre. Das hochkarätige Quartett der vielfach ausgezeichneten Musikerpersönlichkeiten (insgesamt sechs Jazz-Echos, Neuer Deutscher Jazzpreis, WDR-Jazzpreis) vollzieht auf seinem neuen Album wieder mal einen stilistischen und klanglichen Richtungswechsel. Vor allem im direkten Vergleich zu seiner 2018 veröffentlichten Homeward Bound Suite. Das spektakuläre Orchesterwerk wurde damals weithin gelobt, beispielsweise als „eine gelungene Verzahnung von Jazz- und klassischen Elementen mit emotionalem Tiefgang“ (Jazz Podium). Die Schweizer Zeitschrift Jazz’n’More befand: „Die Klangfarben des Orchesters setzt das Quartett stringent um und Frederik Köster legt sich mit seinen Soli schlüssig über rhythmische Muster.“ Und die Badische Zeitung positionierte den Bandleader an „die Spitze des deutschen Jazz. Kösters Trompete, elegant und eigensinnig mit gelegentlichen Loop- Echos unterfüttert, hebt sich klar ab von Ikonen wie Miles Davis und Chet Baker.“
Nach dem erfolgreichen Ausflug ins große Format konzentriert sich Die Verwandlung nun wieder auf sich selbst. Mit ebenso eindrucksvollem Ergebnis. So vielfältig wie auf Golden Age hat man die Band zumindest auf CD noch nie gehört. Schon im Aufmacher-Titel Fanfare – For The Right Reasons kombiniert Frederik Köster seinen strahlenden Trompetenton dezent mit elektronischen Effekten, schlägt elegant und clever eine Brücke vom orchestralen Vorgängeralbum zum aktuellen Sound des Quartetts. Beim folgenden Soudasi setzt die Elektronik, zu der hier neben Kaos-Pad, Loop-Effekten und Samples auch ein Ringmodulator gehört, prägnante Akzente. Das mehrteilige Stück vereint außerdem flackernde Trompetenfanfaren, knurrig gestrichene Kontrabass-Passagen, ruhige und aufstachelnde Momente. Nicht nur Soudasi basiert auf nahöstlichen Grooves (konkret auf einem libanesischen 6/4-Muster), die von Burgwinkels pointierten bis hochverdichteten Schlagzeug-Einsätzen befeuert werden. In Yalla wecken Kösters rasante Linien unwillkürlich Balkan-Assoziationen, tatsächlich liegt dem Stück aber ein arabischer Maqam Bayat zugrunde, der von der Band modifiziert wurde. Jimballa hingegen setzt auf einen 5/4-Takt, der auch in anderen Teilen der Welt geläufig ist. Darüber hinaus gibt es Kompositionen, die ganz andere Inspirationen verarbeiten. So lässt Leak zunächst die Harmonik Kenny Wheelers anklingen, ehe es sich plötzlich mit Beats und Synthesizersounds in Richtung Elektro wendet. Komplett ruhig und rein akustisch bleibt dagegen Cast Me From Your Spell, bei denen Kösters und Sternals Klangfarbenspiel eine Atmosphäre kreiert, die an ihr intimes Duo-Album Canada anknüpft.
Frederik Köster betrachtet Golden Age als Reaktion auf seine vorangegangenen Alben, die überwiegend oder ausschließlich akustisch arrangiert waren. Die Elektronik steht dem 1977 geborenen Wahl-Kölner nahe, seitdem er als Teenager in einer Rockband gesungen und Keyboards gespielt hat. In jüngerer Zeit habe er wieder viel Hiphop, Trap und andere elektronische Musik gehört, sagt Köster und verweist auf vor allem auf die Szene in Los Angeles. Parallel zu der Idee, der Band ein neues, von Elektrosounds durchwirktes Soundgewand zu schneidern, verfolgte Köster beim Komponieren ein weiteres Ziel. Zugunsten größerer Freiräume für seine Bandpartner ließ er manche Strukturen offen, brachte mitunter lediglich Skizzen ins Studio, die gemeinsam ausgearbeitet wurden. „Teilweise habe ich bewusst darauf verzichtet, Bögen zurück zu Leitmotiven zu schlagen“, erklärt Köster, „so kann es passieren, dass Ideen oder Stränge nicht weitergeführt werden, sondern einfach verebben. Solche Stilmittel sind heute in der Musik und in der Literatur völlig akzeptiert, während sie früher verpönt waren.“
Die bereits angesprochenen orientalischen Einflüsse, von ungeraden Metren bis zu arabischen Skalen mit ihren typischen Vierteltönen, hat Frederik Köster über geraume Zeit hinweg auf diversen Konzertreisen mit der Verwandlung und anderen Formationen eingesammelt. Zuletzt gastierte er beispielsweise in Izmir, Almaty (Kasachstan) und – gleich eine ganze Woche lang – in Beirut. Darüber hinaus spielt er seit acht Jahren in der internationalen Band des Osnabrücker Morgenland-Festivals, zu der jüngst auch hochkarätige Syrer, etwa Klarinettist Kinan Asme und Ney-Virtuose Moslem Rahal gehörten.
Den Albumtitel Golden Age versteht Frederik Köster einerseits als ironischen Kommentar zur Glorifizierung bestimmter Zeitspannen. Andererseits ist auch er fasziniert von der künstlerisch gesehen goldenen Epoche in Paris vor rund 100 Jahren, als sich Dali und Picasso, Satie und Debussy, Hemingway und Scott Fitzgerald begegneten. Selbstverständlich zeigt Kösters Musik keine Bezüge zum goldenen Zeitalter des Impressionismus. Stattdessen spielt sie gewitzt mit prägnanten Sound-Vignetten aus jüngeren Dekaden. So lässt das von Sebastian Sternal klug eingesetzte Fender Rhodes Piano an Funk und Soul der Siebziger denken, während der analoge Juno 6-Synthesizer für die Achtziger steht. Aktuelle elektronische Effekte repräsentieren das 21. Jahrhundert, der Ringmodulator wirkt wie eine Art Stammzelle elektronischer Musik. Zudem finden sich kleine Verweise auf die Blütezeit des Jazz in den fünfziger und sechziger Jahren und, ziemlich versteckt, Queens Sheer Heart Attack.
Eine Premiere hat sich Köster für das letzte Stück der Platte aufgehoben. (To The) Evening Star präsentiert den Trompeter erstmals auf CD als Sänger, wenn auch teilweise durch Looper und Effekte verfremdet. Auf der Bühne singt Köster bekanntlich schon eine Weile, vor Aufnahmen schreckte er lange Zeit zurück. Inzwischen sieht er sie aber als wichtige Bereicherung: „Für Musiker ist die Stimme natürlich stets interessant, immerhin ist das natürlichste Instrument.“ Der Text des Songs stammt übrigens von William Blake und ist mit rund 250 Jahren die älteste Poesie, die Köster bislang vertont hat.
Trotz mancher kunstvoll angedeuteten oder auch offenen Referenzen ist die Musik von Golden Age ganz in der Gegenwart zuhause. Allein schon, weil Köster und Sternal, Burgwinkel und Oetz in beseelten Interaktionen und inspirierten Soli konsequent ihrem eigenen Stil folgen, der sie allesamt längst ins Oberhaus des deutschen Jazz geführt hat. Mit ihrer Mischung aus individueller Virtuosität und vielfältigen, elektronischen wie akustischen Sounds kreieren Frederik Köster und Die Verwandlung einen unkonventionellen und hochaktuellen Jazz, der unterschiedliche Generationen ansprechen kann.
***
Frederik Köster / Die Verwandlung – Golden Age (english)
Once again, Die Verwandlung [The Tranformation] live up to their name. The high-profile quartet of award-winning musicians (a total of six Jazz Echo prizes, the New German Jazz Prize, the WDR Jazz Prize) changes its direction in style and sound again on the new album. Especially in direct comparison to the Homeward Bound Suite released in 2018. The spectacular orchestral work was highly praised back then, for example as „a successful integration of jazz and classical elements with emotional intensity“ (Jazz Podium). The Swiss magazine Jazz’n’More stated: „The quartet stringently carries the tonal colors of the orchestra and Frederik Köster coherently lays himself over rhythmic patterns in his solos.“ And the Badische Zeitung positioned the bandleader at „the top of German jazz. Köster’s trumpet, elegantly and uniquely padded in occasional loop echoes, clearly distinguishes itself from icons such as Miles Davis and Chet Baker.“
After the successful excursion to the large format, Die Verwandlung now concentrates on itself again. With equally impressive results. The band has never been heard as versatile as on Golden Age, at least not on CD. Already in the opening title „Fanfare – For The Right Reasons“ Frederik Köster subtly combines his brilliant trumpet sound with electronic effects, elegantly and cleverly building a bridge from the previous orchestral album to the current sound of the quartet. In the following piece „Soudasi“, the electronics, which include a Kaos pad, loop effects and samples as well as a ring modulator, set distinctive accents. The piece with several parts also unifies flaring trumpet fanfares, growlingly bowed double bass passages, calm and stirring moments. Not only „Soudasi“ is based on Middle Eastern grooves (specifically on a Lebanese 6/4 pattern), which are powered by Burgwinkel’s sometimes sparse and sometimes dense drumming. In „Yalla“ Köster’s rapid lines involuntarily evoke Balkan associations, but in fact the piece is based on an Arab Maqam Bayat that was modified by the band. „Jimballa“, on the other hand, uses a 5/4 time signature that is also common in other parts of the world. Furthermore, there are compositions that incorporate completely different inspirations. „Leak“ for instance first resembles the harmonics of Kenny Wheeler before suddenly turning towards electro with beats and synthesizer sounds. „Cast Me From Your Spell“, however, remains completely calm and purely acoustic, while Köster’s and Sternal’s experimentation with timbre creates an atmosphere that ties back to their intimate duo album Canada.
Frederik Köster regards Golden Age as a reaction to his previous albums, which were predominantly or exclusively acoustically arranged. Born in 1977 and now living in Cologne, electronics have been part of his repertoire ever since he sang and played keyboards in a rock band as a teenager. More recently, he has listened to a lot of hip hop, trap and other electronic music again, Köster says, referring to the scene in Los Angeles in particular. Parallel to the idea of tailoring the band a new sound garment interwoven with electro sounds, Köster pursued another goal in his composing. To give his band mates greater freedom, he left some structures open, sometimes only bringing sketches to the studio, which were then developed together. „In some cases, I deliberately refrained from returning to leitmotifs,“ Köster explains, „so it can happen that ideas or lines of thought are not continued, but simply fade away. Such stylistic devices are now fully accepted in music and literature, although they were once frowned upon.“
Frederik Köster picked up the already mentioned oriental influences, such as odd meters and Arabic scales with their typical quarter tones, on various concert tours with Die Verwandlung and other formations. Most recently, he toured Izmir, Almaty (Kazakhstan) and – for a whole week – in Beirut. In addition, he has been playing in the international band of the Osnabrücker Morgenland Festival for eight years, which lately included famous Syrians such as clarinetist Kinan Asme and ney virtuoso Moslem Rahal.
On one hand, Frederik Köster sees the album title Golden Age as an ironic commentary on the glorification of certain periods. On the other hand, he is also fascinated by the artistic golden epoch in Paris about 100 years ago, when Dali and Picasso, Satie and Debussy, Hemingway and Scott Fitzgerald crossed paths. Of course Köster’s music shows no references to the golden age of Impressionism. Instead, it cleverly plays with characteristic sound vignettes from more recent decades. The Fender Rhodes piano, used smartly by Sebastian Sternal, brings the funk and soul of the seventies to mind, while the analog Juno 6 synthesizer embodies the eighties. Present-day electronic effects represent the 21st century, the ring modulator seems like a kind of stem cell for electronic music. There are also small references to the heyday of jazz in the fifties and sixties and, quite hidden, to Queen’s „Sheer Heart Attack“.
Köster saved a premiere for the last piece of the record. „(To The) Evening Star“ presents the trumpeter as a singer for the first time on CD, although partly modified by looper and effects. On stage Köster has been singing for a while, but has been shying away from recording for a long time. Meanwhile he sees it as an important enhancement: „For musicians the voice is obviously very interesting, after all it is the most natural instrument“. The lyrics of the song were written by William Blake and, with about 250 years of age, it is the oldest poetry Köster has ever set to music.
Despite some artistically hinted or even open references, the music of Golden Age is completely at home in the present. Already because Köster and Sternal, Burgwinkel and Oetz consistently follow their own style in soulful interactions and inspired solos, which has made them all part of the upper house of German jazz. With their mixture of individual virtuosity and diverse electronic and acoustic sounds, Frederik Köster and Die Verwandlung create an unconventional and highly contemporary jazz that can appeal to different generations.